Meinungen zur Freierbestrafung
Die Verschärfung der Freierstrafbarkeit geht in die falsche Richtung! Die folgenden Meinungen, Kommentare und Stellungnahmen von Betroffenen, Sexarbeiter*innen, Aktivist*innen und Unterstützenden zeigen das sehr deutlich.
Als Sexarbeiterin bin ich absolut selbstbestimmt unterwegs, suche mir meine Kund*innen selbst aus und bestimme alle Konditionen. In der Regel werden diese widerspruchslos akzeptiert und umgesetzt. Sollte ich einmal ein schlechtes Bauchgefühl haben, kommt ein Date gar nicht erst zustande oder wird abgebrochen. Ich unterliege in meinem Beruf keinerlei Zwang – im Gegenteil. Ich habe studiert und schon in vielen anderen Berufen gearbeitet. Die Sexarbeit ist also nicht meine letzte Option, sondern meine bewusste, freiwillige Entscheidung, welche ich nicht bereue. Diese hat mir bisher nichts als Freiheit, Selbstbewusstsein und tolle Begegnungen geschenkt, wie ich sie in keinem anderen Job erfahren habe. Ich spüre das auch bei meinen Kund*innen. Gute Sexarbeit ist eben nicht nur für den Körper, sondern auch für die Seele. Viele Menschen erzählen mir, dass sie sich nach unserer Begegnung wacher, aufgeladen, glücklich und zufrieden fühlen. Wie geht ein ausgeglichener, glücklicher Mensch durchs Leben? Wie begegnet er seinen Mitmenschen? Und wie sieht das bei einem Menschen aus, der glaubt, gerade etwas Schmutziges, Verbotenes und moralisch Verwerfliches getan zu haben? In welcher Gesellschaft wollen wir lieber leben?
Wir stellen uns gegen die sogenannte "Freierbestrafung", weil hier potentielle Zeugen zu Täter*innen gemacht werden. Zwangsprostitution lässt sich nicht verhindern, indem Kunden*innen kriminalisiert werden und womöglich nebenbei noch scheibchenweise das sogenannte "Nordische Modell" eingeführt wird. Was wir brauchen, sind Gesetze, die die Arbeitsbedingungen von Sexarbeiter*innen sicher machen und das fernab von moralischen Empfindlichkeiten Einzelner. Kein Mensch muss die Sexarbeit mögen, doch als Gesellschaft haben alle die Aufgabe, die Lebensgestaltung anderer zu akzeptieren.
Ein Sexkaufverbot ist ein rein populistisches Gedankengut, denn der Populismus versucht immer für komplexe Fragestellungen einfachste Lösungen zu finden. Der Ansatz „die Nachfrage durch ein erzwungen-neues moralisches Verständnis für Sexarbeit", welches durch ein Verbot für Konsumenten erzeugt wird, einzudämmen und somit Kriminalität zu verringern, verringert lediglich die Erreichbarkeit der Berufsgruppe. Schlimmer noch, Sexarbeitende werden hierdurch in die Illegalität getrieben, auch wenn sie nicht direkt bestraft werden. Ein jeder mag sich vorstellen, wenn seine Kunden im eigenen Betrieb beim Kauf bestraft würden, wie sich die Arbeit eines jeden in diesem Betrieb dann gestalten würde. Wir erleben das in anderen Ländern auf furchtbare Art und Weise, wenn z. B. Sexarbeiter*innen aus Taxis geworfen werden oder als einziger Treffpunkt nur dunkle Waldstücke vereinbart werden können (weil jeder Arbeitsplatz illegal wird) und wenn sie damit leben müssen, dass ihre Kunden nun ausschließlich anonym bleiben wollen und müssen. Soll das echt jemandem helfen?
The moral siege of prostitution, using the clients of sexual services themselves, is the newest legalistic perversion. It is time to end these cyclical movements of liberation/repression of prostitution, which have been present in German laws since the late 18th century. Let's go forward instead of backward. Let sexual service providers work in peace and stop stressing them and their clients. Prostitution is a service, a good and a right. And it should stay that way. (Übersetzung DE: Die moralische Belagerung der Prostitution, bei der die Kunden sexueller Dienstleistungen selbst benutzt werden, ist die neueste juristische Perversion. Es ist an der Zeit, diese zyklischen Bewegungen der Befreiung/Unterdrückung der Prostitution zu beenden, die seit dem späten 18. Jahrhundert in den deutschen Gesetzen zu finden sind. Lasst uns vorwärts statt rückwärts gehen. Lasst die Anbieter*innen sexueller Dienstleistungen in Ruhe arbeiten und hört auf, sie und ihre Kunden zu belasten. Prostitution ist eine Dienstleistung, ein Gut und ein Recht. Und das sollte so bleiben.)
Wer vorgibt, Frauen schützen zu wollen, sollte sich im Klaren darüber sein, dass es auch Kundinnen von erotischen und sexuellen Dienstleistungen gibt. Außerdem verhindert man mit einem Sexkaufverbot keinen Menschenhandel zum Zwecke sexueller Ausbeutung. Vielmehr beraubt man meine Kolleg*innen und mich unserer Lebensgrundlage und zwingt uns in die Illegalität. Was dabei raus kommt, kann man inzwischen wunderbar in Frankreich, meinem Heimatland, beobachten: Der Menschenhandel hat dort nämlich tendenziell zugenommen, Menschen werden immer noch sexuell mißbraucht und trotz dieser unverhältnismäßigen Gesetze arbeiten wir Sexarbeitende weiter, jedoch leider ohne jeglichen Schutz oder Unterstützung durch den Staat. Wir geben aber nicht auf und kämpfen auch dort weiter für unsere freie Berufswahl (strass-syndicat.org für Frankreich).
Im Jahr 1991 haben wir bei Hydra eine Studie über Freier gemacht, die unter dem Titel "Freier, das heimliche Treiben der Männer" als Buch erschien. Sie widerlegte, dass die meisten Männer Frauen als Ware betrachten. Vielmehr schätzten sie es, aufgrund eines klar abgesprochenen Konsenses, Sex haben zu können oder auch nur Gespräche, wie bei einer Gesprächstherapeutin zu führen. Was spricht also dagegen, wenn zwei erwachsene Menschen einvernehmlich Sex haben? Nichts, würde ich sagen. Jedoch werden seit einiger Zeit Menschen aus allen Bereichen der Gesellschaft lauter, die gegen alles sind: gegen Abtreibung, Diversität, eine multikulturelle Gesellschaft und eben auch Prostitution. Sie scheuen sich auch nicht, mit falschen Zahlen und Behauptungen ohne Fundament ihre Interessen zu verfolgen. Eines davon ist die Freierbestrafung. Wer sich allerdings wirklich dafür interessiert, wird gerade am Paradebeispiel Schweden feststellen, dass es nicht wahr ist, dass damit die Sexarbeiter*innen geschützt werden sollen. Sie müssen sich nicht nur die Stimmen der Prostitutionsgegner*innen anschauen, sondern vor allen Dingen die Stimmen der vielen Sexarbeiter*innen und der Sexarbeiterorganisationen.
Menschen vermeintlich präventiv oder vorsorglich unter einen diffusen Generalverdacht zu stellen, ist ein Unding und des deutschen Rechtsstaats absolut unwürdig!
Sexarbeit ist Arbeit und grundsätzlich legal. Die Verschärfung der Strafbarkeit von Kunden, um das Tatbestandsmerkmal der Leichtfertigkeit, ist ein Sexkaufverbot durch die Hintertür. So leichtfertig sollten die Rechte von Sexarbeitenden und Kunden nicht aufs Spiel gesetzt werden!
Mir war es immer wichtig, die gleichen Rechte wie andere Erwerbstätige zu haben. Das muss auch für meine Kunden gelten. Sie unter Generalverdacht zu stellen und per se als Kriminelle darzustellen, ist nicht okay.
Betrachtet man den Menschen in seiner Gesamtheit, darf der sexuelle Aspekt nicht ausgeklammert werden. Dort, wo er ausgeblendet wird, kommt es zu Missbrauch und Gewalt. Deshalb ist eine Freierbestrafung nicht hinnehmbar. Nicht zuletzt erhöht Sex das Wohlbefinden des Menschen.
Als Feministin liegen mir die Rechte von Frauen besonders am Herzen. Sexarbeiter*innen werden hier oft diskriminiert. Sie gilt es zu stärken, aber nicht indem ihre Kunden kriminalisiert werden. Das benachteiligt und schwächt nur wieder Sexarbeiter*innen, die dann im Verborgenen arbeiten müssen und keinen Schutz genießen. Die verschärfte Freierbestrafung ist für mich aber auch ein Ausdruck der zunehmenden Sexualfeindlichkeit. Wann setzen wir endlich mehr auf Bildung und Empowerment bzgl. Sexualität?
Das sagen die Unterstützenden